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Die Bedeutung psychologischer Resilienz in der Unternehmenskrise

Ein Gastbeitrag von Tiziana Osel | Teil 1 – Eine Unternehmenskrise ist immer eine herausfordernde Zeit, die weit mehr als nur finanzielle oder strategische Schwierigkeiten mit sich bringt. Insbesondere wenn sich das Unternehmen auf dem Weg in die Insolvenz befindet, können der damit verbundene Druck und die Unsicherheit wie ein unüberwindbares Hindernis erscheinen. In solchen Zeiten ist psychische Widerstandsfähigkeit – auch Resilienz genannt – besonders wichtig. Doch nicht jeder ist darauf vorbereitet oder hat die mentale Ausdauer, um solche schwierigen Situationen zu meistern.

Ein kurzer Ratgeber für Eigentümer und Geschäftsführer

Dieser Beitrag soll Ihnen helfen, die Symptome und Anzeichen zu erkennen, die auf eine mögliche Verleugnung der realen Situation Ihres Unternehmens hindeuten. Häufig fallen Führungskräfte und Unternehmensinhaber in die Falle der Selbsttäuschung, indem sie beispielsweise die Bedeutung sinkender Umsätze herunterspielen oder unbezahlte Rechnungen als „vorübergehende Rückschläge“ abtun.

Ein klassisches Beispiel wäre der Geschäftsführer, der trotz mehrerer Quartale mit roten Zahlen weiter investiert, ohne das Business-Modell oder die aktuelle Nachfrage zu beleuchten, in der Annahme, die Situation werde sich bald bessern. Oder der Eigentümer, der den Rat von Fachleuten und sogar die deutlichen Warnsignale des Marktes ignoriert, weil er überzeugt ist, dass seine persönliche Intuition ausreicht, um das Ruder herumzureißen.

In ähnlicher Weise möchten wir Ihnen praktische und umsetzbare Tipps an die Hand geben, wie Sie Ihre eigene psychische Resilienz in solch turbulenten Zeiten stärken können. Denn Resilienz ist nicht nur eine angeborene Eigenschaft, sondern auch eine Fähigkeit, die entwickelt und gestärkt werden kann. So kann es hilfreich sein, sich an ein unterstützendes Netzwerk aus Familienmitgliedern, Freunden oder auch professionellen Coaches zu wenden.

Ein konkretes Beispiel könnte sein, sich regelmäßig Zeit für sogenannte „Sparring-Sessions“ mit einem vertrauten Kollegen oder Mentor zu nehmen, um Probleme offen zu diskutieren und neue Perspektiven zu gewinnen. Darüber hinaus können auch Techniken zur Stressreduktion wie Meditation oder Atemübungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, von großem Nutzen sein. In den folgenden Abschnitten dieses Beitrags werden wir auf diese und weitere Punkte näher eingehen, um Ihnen ein umfassendes Bild der Herausforderungen und Lösungsansätze im Zusammenhang mit der psychischen Widerstandsfähigkeit in einer Unternehmenskrise zu vermitteln.

Symptome der Verleugnung

Übermäßiger Optimismus

Es ist normal und sogar gesund, in Krisenzeiten optimistisch zu sein. Übertriebener Optimismus kann jedoch ein Zeichen dafür sein, dass die ernste Realität der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht erkannt wird. Beispielsweise könnte der Geschäftsführer trotz anhaltend schlechter Verkaufszahlen weiterhin große Summen in Marketingkampagnen investieren, weil er davon überzeugt ist, dass der „große Durchbruch“ unmittelbar bevorsteht. Dieser unerschütterliche Optimismus, der allen wirtschaftlichen Indikatoren trotzt, kann dazu führen, dass notwendige Kurskorrekturen unterbleiben.

Ignorieren der Warnsignale

Viele Unternehmer und Führungskräfte ignorieren Warnsignale wie sinkende Umsätze, steigende Schulden, hohe Personalfluktuation oder sinkende Kundenzufriedenheit. Sie tun diese als vorübergehende Rückschläge ab, anstatt sie als ernstzunehmende Indikatoren für eine Krise zu sehen.

Beispielsweise könnte ein Eigentümer den stetigen Rückgang der Auftragseingänge und die Zunahme der Kundenbeschwerden ignorieren und seine Energie stattdessen auf weniger dringende Probleme wie die Neugestaltung des Firmenlogos verwenden. Dieses Ignorieren kann katastrophale Folgen haben, wenn es dazu führt, dass notwendige Korrekturmaßnahmen zu spät eingeleitet werden.

Beispiel aus der Praxis: Ein Unternehmer, der die sinkenden Umsätze seines Unternehmens ignoriert und einfach „weitermacht wie bisher“, riskiert, dass sich seine finanzielle Situation weiter verschlechtert. Er könnte in den Strudel der Verschuldung geraten, um die laufenden Kosten zu decken, was die Situation nur noch verschlimmern würde.

Konkreter Tipp: Nutzen Sie Instrumente wie Liquiditätspläne oder Kennzahlen-Dashboards, um einen genauen Überblick über die finanzielle Situation Ihres Unternehmens zu behalten. Zögern Sie nicht, Experten zu Rate zu ziehen, sobald Sie Anzeichen einer Krise erkennen.

Entscheidungsvermeidung

Krisenzeiten erfordern schnelle und manchmal unangenehme Entscheidungen. Das kann bedeuten, teure Projekte zu stoppen, Mitarbeiter zu entlassen oder sogar das Geschäftsmodell zu überdenken. Wenn Führungskräfte diese Entscheidungen vermeiden oder aufschieben, deutet dies oft darauf hin, dass sie die Realität der Krise nicht akzeptieren wollen.

Anstatt beispielsweise einen klaren Sanierungsplan zu entwickeln, könnte ein Geschäftsführer seine Zeit mit weniger dringenden Aufgaben verbringen oder sich in endlosen Diskussionen und Meetings verlieren, ohne zu einer Entscheidung zu kommen. Diese Zögerlichkeit kann nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem Team und den Stakeholdern erheblichen Schaden zufügen.

Jedes dieser Symptome kann ein Warnzeichen dafür sein, dass die Realität der Unternehmenskrise nicht vollständig akzeptiert oder verstanden wird. Das Erkennen dieser Anzeichen ist der erste Schritt, um die notwendigen Maßnahmen einzuleiten und das Ruder noch herumzureißen.

Ich hoffe, dass diese erweiterte Version einen tieferen und differenzierteren Einblick in die komplexen psychologischen Mechanismen bietet, die während einer Unternehmenskrise auftreten können.

Was Experten zu bedenken geben

Professionelle Sanierer und Restrukturierungsexperten verfügen nicht nur über betriebswirtschaftliches Know-how, sondern sind oft auch psychologisch geschult oder haben in ihrem Netzwerk Ansprechpartner für psychologische Krisen. In Krisenzeiten sind sie der „Fels in der Brandung“ und richten ihr Augenmerk auf folgende kritische Aspekte:

1. Langer Leidensweg

Wirtschaftliche bedrohliche Situationen kommen selten über Nacht. Häufig ist eine Insolvenz das Ergebnis einer langen Kette von Fehlentscheidungen, Pech oder unerwarteten Umständen. So kann ein Unternehmen, das lange Zeit mit veralteter Technik gearbeitet und die Umstellung auf moderne Systeme versäumt hat, nach und nach Marktanteile verlieren. Dieser schleichende Prozess kann Jahre dauern, bis die finanzielle Situation unhaltbar wird.

2. Komplexe Probleme

Insolvenz und finanzielle Schwierigkeiten sind selten isolierte Ereignisse. Sie kommen häufig mit anderen Lebensproblemen wie gesundheitlichen oder familiären Schwierigkeiten zusammen. So kann ein Unternehmer, der unter chronischem Stress leidet, gesundheitliche Probleme entwickeln, die wiederum seine Fähigkeit beeinträchtigen, das Unternehmen effektiv zu führen.

Darüber hinaus können finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens zu Spannungen im privaten Umfeld, z. B. in der Familie oder im Freundeskreis, führen.

3. Verkleinerung des Freundeskreises

In Krisenzeiten schrumpft der soziale Kreis erfahrungsgemäß dramatisch. Freunde, die in guten Zeiten präsent waren, ziehen sich oft zurück, wenn die Probleme überhandnehmen. Dieses soziale Vakuum kann das Gefühl der Isolation verstärken und die Psyche zusätzlich belasten.

Ein Unternehmer, der bereits sein soziales Netzwerk verloren hat, fühlt sich oft allein und ohne Unterstützung, was die psychische Belastung weiter erhöht.

4. Perspektivlosigkeit

Unsicherheit und Perspektivlosigkeit sind weitere Faktoren, die in Krisenzeiten psychisch belastend wirken. Mitarbeiter sind verunsichert, Lieferanten werden skeptisch und auch bei den Eigentümern wächst die Unsicherheit. Diese allgemeine Orientierungslosigkeit kann zu Fehlentscheidungen führen, da oft schnelles Handeln gefragt ist.

5. Extreme Lebenssituationen

Manchmal haben Menschen in Krisensituationen das Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben und treffen daher riskante oder gar unüberlegte Entscheidungen. Ein Unternehmer in dieser Situation könnte sich für ein riskantes Darlehen entscheiden oder in ein zweifelhaftes Geschäft investieren, in der Hoffnung, das Ruder noch herumreißen zu können. Sanierer und Restrukturierungsexperten, die diese psychologischen Dimensionen verstehen, sind besser darauf vorbereitet, wirksame Strategien zur Rettung von Unternehmen zu entwickeln. Sie wissen, dass es neben der wirtschaftlichen Sanierung auch darum geht, das psychische Wohlbefinden der Betroffenen zu berücksichtigen.

Fazit: Die Bedeutung der Resilienz in Krisenzeiten

Realitätsverweigerung, insbesondere in wirtschaftlichen Krisen und bei drohender Insolvenz, kann katastrophale Folgen haben. So kann das Ignorieren offensichtlicher Warnsignale wie sinkender Umsätze oder steigender Verbindlichkeiten nicht nur das Überleben des Unternehmens gefährden, sondern auch zu erheblichen psychischen Belastungen für Sie und Ihre Mitarbeiter führen.

Die Früherkennung dieser Symptome ist daher von entscheidender Bedeutung. Nur so können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, wie z.B. eine umfassende Unternehmensanalyse oder die Inanspruchnahme professioneller Beratung, um einen Turnaround zu erreichen.

Die in diesem Beitrag vorgestellten Überlebenstipps und Ratschläge zur Stärkung der eigenen Resilienz können dabei wertvolle Unterstützung bieten. Ob es darum geht, Hilfe anzunehmen, ehrlich zu sich selbst zu sein oder konkrete Pläne für die Zukunft zu schmieden – jede dieser Strategien hat das Potenzial, Ihre Fähigkeit zur Krisenbewältigung zu stärken.

In turbulenten Zeiten ist die eigene psychische Widerstandsfähigkeit genauso wichtig wie betriebswirtschaftliches Know-how. Beides gilt es kontinuierlich zu pflegen, um sich selbst und sein Unternehmen bestmöglich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

Mit der richtigen Mischung aus Selbstreflexion, Proaktivität und den hier beschriebenen Strategien sind Sie besser gerüstet, Krisen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Ausblick

Im nächsten Beitrag zum Thema „Resilienz“, der am 10.10.2023 veröffentlicht wird, erhalten Sie von Tiziana Osel wertvolle Tipps zur Steigerung der eigenen Resilienz und wichtige Überlebenstipps für Krisenzeiten.

Zur Gastautorin

Tiziana Osel hat einen Bachelor in Psychologie sowie einen Master of Science in Angewandter Psychologie mit dem Studienschwerpunkt Klinische Psychologie und Mentale Gesundheit. ​

Aktuell ist sie Doktorandin in Klinischer Psychologie an der University of Reading, mit dem Forschungsschwerpunkt Hypermentalisierung, Domänen-Dysfunktion und Chronotyp bei Borderline Persönlichkeitsstörung und Depression.

Sie ist Mitbegründerin der digitalen Plattform für Mentale Gesundheit FLEXMYND und Inhaberin des Psychologischen Kompetenzzentrums Osel in Fürth.